Fünf Monate Leiden

Ich bin tief erschüttert. Walters Schwester Hedwig hat uns ein sporadisches Tagebuch hinterlassen, das in Stenographie geschrieben ist und derzeit von meiner Mutter (von Beruf Sekretärin) übertragen wird. Nun haben wir alles schwarz auf weiß und ich fühle mich, als habe man mir meinen geliebten Opa ein weiteres Mal genommen:

 

 

März 1941 - Hinter mir liegt eine Zeit, die mich Entsetzliches durchmachen ließ und die Walters gänzlichen Nervenzusammenbruch brachte. In diese Zeit fällt auch Heidruns [ihre Tochter] erster Geburtstag, der der traurigste Tag seit langer Zeit wurde. An diesem Tag wurde Walter in die Nervenklinik eingeliefert.

 

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Oktober 1941 - Leider habe ich eine sehr große Pause gemacht. Dazwischen liegt so schrecklich Schweres. Der Tod meines einzigen Bruders Walter kurz vor seinem 33. Geburtstag. Er starb am 7.8. nach 5 Monaten schweren Leidens. Ich selbst bin daran fast krank geworden und habe viel Mühe gehabt, mich wieder einigermaßen zu erholen, aber ich muß es ja meiner Familie und meines Kindes wegen.


 

Was haben sie ihm angetan in diesen fünf Monaten? Es in dieser Deutlichkeit zu lesen, lähmt mich, macht mich sprachlos. Aber ich werde die Worte wiederfinden und diese Biografie vollenden. Denn ich beginne, das Schweigen der Menschen von damals zu verstehen.

 

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