Erinnern heißt Berühren - die Preisverleihung von "erinnert euch!"

"erinnert euch!" - ein Wettbewerb ruft zur Spurensuche im Heimatort auf
Irgendwann im Laufe des letzten Spätherbstes stolperte ich im Internet über die Seite "erinnert euch!" und den gleichnamigen Wettbewerb für Gedenk- und Erinnerungsarbeit.

Der vom Landesjugendring Saar, der Landeszentrale für Politische Bildung, der Arbeitskammer des Saarlandes und dem Landesinstitut für Pädagogik und Medien ausgeschriebene Wettbewerb hatte Gruppen und Einzelpersonen bis 26 Jahre dazu aufgerufen, in ihrem Heimatort zur NS-Zeit zu recherchieren. Denn diese, so die einleitenden Worte des gestrigen Abends, war auch vor der eigenen Haustür allgegenwärtig. 

Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass auch ein Beitrag aus dem nicht saarländischen, aber benachbarten Zweibrücken in der Pfalz gern gesehen sei, entschloss ich mich dazu, meine bisherige Arbeit in einer etwa 30-seitigen PDF zusammenzufassen und als Wettbewerbsbeitrag einzureichen (diesen können Sie am Ende dieses Blogeintrags downloaden).

 

Der Sonderpreis für einen Einzelbeitrag...

Ende Januar dann die schöne Überraschung: mein Einzelbeitrag hatte die Jury überzeugt!

Und gestern war es so weit - ich machte mich auf den Weg zur Preisverleihung in die saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken. Da ein Teil meiner Familie dort lebt, konnte ich mich nicht beherrschen und brachte sie alle mit :D. Denn mein Projekt, meine Gedenkarbeit, Opa Walters Geschichte ist untrennbar mit ihnen allen verbunden! Also brachte ich - als einzelne Teilnehmende - meine eigene Gruppe mit: zusammen mit meinen Eltern, meiner Tante, meinem Bruder und dessen Lebensgefährtin nahm ich stolz und glücklich den Sonderpreis des Wettbewerbs entgegen. 300 Euro Preisgeld werden mich nun bei weiteren publikationsbezogenen Vorhaben unterstützen!

 
...und die Hauptpreise für bemerkenswerte Gruppenbeiträge
Doch auch die anderen, die eigentlichen Preisträger, sollen Erwähnung finden. 

Über zwei 2. Preise á jeweils 500 Euro konnten sich die Projektgruppe "Wendalinum gegen das Vergessen" des Gymnasiums St. Wendel sowie eine 10. Klasse des Illtalgymnasiums aus Illingen freuen. 
Der erste Preis - dotiert mit 1.000 Euro - ging an eine Gruppe der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg aus Köllerbach, die ihre umfassenden Rechercheergebnisse in Form eines Videoclips eingereicht hatten.

 

Distanz befähigt zur Objektivation

Ich gratuliere den Preisträgern ganz herzlich und freue mich selbst riesig über diese Auszeichnung. Ich fühlte mich mit meinen 25 Jahren gestern beinahe wie ein alter Hase und kann nur sagen, dass ich es phänomenal finde, dass auch andere junge - und eben noch jüngere! - Leute sich so reflektierend mit der NS-Zeit beschäftigen. Ich glaube, es braucht diesen (Zeit)Geist von heute regelrecht, weil man manchmal die Dinge erst mit der nötigen Distanz angemessen händeln kann; denn Distanz befähigt uns zum Objektivieren.

 

Erinnern heißt Berühren

Gleichzeitig müssen wir es aber schaffen, die Menschen zu berühren - und was zunächst wie ein Paradoxon klingt, ist in meinen Augen ein Kreis, der sich schließt. Indem wir vom direkten, subjektiven Bezug zeitlich abgetrennt sind, entfalten sich neue Möglichkeiten des Handelns. Und wenn wir mit diesem, unserem Handeln dann wieder das Innere der Menschen erreichen, dann haben wir es geschafft:
Dann erinnern wir.

 

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Glückstrahlend küsst der Ferne die Tapfre
Das viel zu kurze Leben des Zweibrücker Dirigenten Walter Frick
Beitrag_Julia Frick_RegionZweibrücken.pd
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Kommentare: 5 (Diskussion geschlossen)
  • #1

    Georg Vogel (Freitag, 19 Februar 2016 16:55)

    Schöner Bericht zur Preisverleihung gestern. Ich selbst habe in den 80er Jahren in meiner Heimatgemeinde in Illingen mit Erinnerungsarbeit zur Nazizeit in Illingen begonnen. Ich war als Geschäftsführer des Landesjugendrings gestern sehr gerührt, dass dieses Erinnern mehr denn je junge Menschen berühren und zu solch tollen Projekten motivieren kann. Sie wissen, dass dieser Teil unserer Geschichte gerade für heute sehr wichtig ist. Gratulation dir liebe Julia und allen, die sich hier engagieren!

  • #2

    Ruth Orland (Freitag, 19 Februar 2016 17:22)

    Hey Julia,

    Ich gratuliere auch nochmals über diesen Weg rechtherzlich und finds enorm, was du alles auf die Beine gestellt hast und was sich für dich mit der Geschichte des Opas ergeben hat. Ich denke er wäre bombastisch stolz auf solche Enkelin! DANKE für dein vieles Engagement und deine Arbeit, die zeigt, dass es auch für junge Menschen oder junge Erwachsene auch nach 70 Jahren wichtig ist sich der Geschichte zu stellen und welche Ergebnisse es noch in Recherchen gibt. Grad gestern wurde unser Kreis wieder Zeuge solcher Geschichte. Inzwischen ist dein Name ja schon echt bekannt geworden und ich freue mich sehr dich ganz bald endlich kennen zu lernen und dir auch noch mehr von unserer Arbeit am Friedhof zu erzählen, denn da gibts auch Geschichten, die sich lohnen.

  • #3

    Horst Zitzer (Freitag, 19 Februar 2016 19:49)

    Liebe Julia, das ist einfach einmalig, was du da ingang gesetzt hast. So bleibt dein Opa unvergessen und ist präsent.
    Herzlichen glückwunsch,

    Horst

  • #4

    Markus Affelt (Samstag, 20 Februar 2016 00:55)

    Liebe Julia,ich gratuliere dir auch im Namen des BPE e.V.(Bundesverband Psychiartrieerfahrener)
    zu deinem besonders wertvollen Beitrag durch dem du die persönliche Aufarbeitung deiner Familiengeschichte auch zu einer tief bewegenden Botschafft gegen das Vergessen gemacht hast.
    Herzlichen Glückwunsch&"Weiter so!"

  • #5

    Anita Schmoll (Samstag, 20 Februar 2016 18:24)

    Liebe Julia, ich freue mich sehr über die, wie ich finde verdiente Anerkennung, Ihrer aufgeschriebenen Geschichte Ihres Großvaters. Sie beschreiben sein Leben so lebendig und interessant. Die vielen Zufälle, die sich auftun, wenn man anfängt über einen längst Verstorbenen in der Familie zu suchen, sind manchmal unglaublich. Schon heute freue ich mich auf die Fachtagung zur Euthanasie in Berlin, wo Sie wieder lesen werden.
    Viele Grüße sendet Ihnen Anita Schmoll